Fünf Fragen an Anke Traber

 

 Anke Traber

Fünf Fragen an Anke Traber, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Balingen 

Anke Traber leitet seit 2019 die Agentur für Arbeit in Balingen. Die Agentur ist eine von 19 Arbeitsmarktregionen in Baden-Württemberg. Mit einer Arbeitslosenquote von 3,9% (Juni 2020) liegt sie im unteren Drittel.

1. Frage: Die Arbeitsagenturen mussten in den letzten Monaten, bedingt durch die COVID-19-Pandemie, radikal umschalten. Vom Fachkräftemangel zu massenhafter Kurzarbeit. Wie bekommt man so etwas organisiert? Das hat doch nicht mehr viel mit Alltäglichkeiten zu tun?

In der Tat – seit Mitte März sind wir im Ausnahmemodus. Hatten wir im Jahr 2019 im Schnitt 18 Anzeigen für Kurzarbeit, liegen wir aktuell bei ca. 3.500. Von Heute auf Morgen haben wir daher Personal aus dem Vermittlungs-/Beratungsbereich für die Antragsbearbeitung fit gemacht und so die Kapazität für Bearbeitung vervielfacht. Das war zum einen deshalb so schnell möglich, weil zum Schutz der Kunden und des Personals die Dienststellen geschlossen wurden und alle Kontakte zunächst nur telefonisch oder online erfolgt sind. Zum anderen war es den MitarbeiterInnen ein wirkliches Herzensanliegen, so schnell und so gut wie möglich denjenigen zu helfen, deren Arbeit in Gefahr ist.

2. Frage: Frau Traber, als Leiterin der regionalen Arbeitsagentur sind Sie Expertin in Fragen der Beschäftigung. Wie steht die Region da, wenn es um die Zukunftsfähigkeit der Arbeit vor Ort geht?

Ich bin mir sicher, dass wir in unserer Region auch die vierte industrielle Revolution erfolgreich meistern werden. Unsere Stärke sind die vielen unternehmergeführten klein-und mittelständischen Betriebe. 95% aller Arbeitgeber beschäftigen bis 50 Arbeitnehmer. Schnelle Anpassungsfähigkeit und hohe Flexibilität verbunden mit viel unternehmerischem Weitblick, gutem Gespür für sich verändernde Arbeitswelten sowie Vernetzung mit Partnern sind die beste Voraussetzung um die richtigen Weichen im Betrieb für die Zukunft zu stellen. 

3. Frage: Welche Bedeutung kommt dabei aus Ihrer Sicht dem zukünftigen Gewerbe- und Industriepark im Konversionsraum Alb zu? Braucht man heute überhaupt noch Fläche für die Produktion, wo das meiste Geld doch mit Dienstleistungen verdient wird?

Der geplante Gewerbe- und Industriepark Zollernalb unterstützt die Unternehmen im Kreis, sorgt für neue Arbeitsplätze bzw. sichert bestehende Arbeitsverhältnisse und somit Einkommen der Bewohner und damit die Kaufkraft in der Region. Rund 40% unserer Arbeitsplätze hängen derzeit an der Güterproduktion. Mit Industrie 4.0 lässt sich die Produktion zwar intelligenter, flexibler und nachhaltiger gestalten. Bei gleichzeitig steigendem Bedürfnis der Verbraucher nach individuell gefertigten Produkten werden wir aber auch künftig Industriefläche benötigen. Im Gewerbepark bestünde zudem die Möglichkeit innovative Informationstechnologien und Softwareanwendungen verschiedener Betriebe intelligent zu vernetzen um Produktions-, Distributions- und Vermarktungsketten noch effizienter zu gestalten.

4. Frage: Die Arbeitsagentur unterstützt nicht nur Unternehmen bei der Kurzarbeit und Mitarbeiter bei der Suche nach neuen Arbeitsplätzen. Sie fördert auch Weiterbildung und Qualifizierung. Damit unterstützt sie die Arbeit von Morgen. Wie digital sind unsere Arbeitsplätze und wie digital wünschen Sie sich diese?

Der erste Teil der Frage lässt sich so pauschal nicht beantworten. Digitalisierung ist ein seit Jahren fortschreitender Prozess. Umfang und Ausgestaltung differieren stark je nach Branche und bisheriger Betriebsethik.

Schon jetzt wissen wir, dass durch die Digitalisierung Arbeitsplätze viel stärker verändert und neue geschaffen werden, als dass sie ersatzlos wegfallen. Allerdings stellen Arbeitsplätze mit hohem Digitalisierungsgrad andere Anforderungen an die Belegschaft. Kommunikations- und Teamfähigkeit, Prozessverständnis, Wissen teilen und gemeinsam erweitern sowie in Netzwerken denken und arbeiten, werden u.a. die künftigen (sozialen) Kernkompetenzen von MitarbeiterInnen sein. Ich wünsche mir, dass es gelingen wird, durch mehr und gezieltere schulische und betriebliche Bildung und Fortbildung, diese Kompetenzen zu fördern und zu stärken.

5. Frage: Sie haben bereits in den neunziger Jahren bei der Agentur in Balingen gearbeitet und waren dann die letzten Jahre in Recklinghausen tätig. Die Alb und das Ruhrgebiet – gibt es da Schnittstellen oder reizen Sie die Gegensätze?

„In Ruhrpott hamma kein Dialekt und wir Schwaben könnet alles außer...“ Neben den zwar unterschiedlichen aber doch deutlich hörbaren Dialekten gibt es insbesondere seit dem endgültigen Ende des Bergbaus eine wichtige Gemeinsamkeit: die einzige Ressource, aus der beide Regionen für die Zukunft der Arbeit und der Gesellschaft schöpfen können, ist das Bildungskapital der Einwohner. Die Investition in Bildung vom spielenden Lernen im Kindergarten bis hin zur Nutzung des Wissens von lebensälteren Menschen z.B. als Senior-Experts ist für mich die wichtigste politische und gesellschaftliche Zukunftsaufgabe für beide Regionen.

Vielen Dank für Ihre Antworten und weiterhin auf eine gute Zusammenarbeit im Konversionsraum Alb!